Pyrenäen Durchquerung: Ende der Weitwanderung

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Tag 31

Es ist Nacht und stockfinster in der kleinen Blechbüchse. Der Regen prasselt auf das Dach, Gewitter heult und grelle Blitze erhellen die dunkle Nacht. Mein Atem bildet kleine Wolken. Es ist eisig und ich hoffe einfach nur auf ein schnelles Ende dieser Nacht. Aber auch morgens ist es noch genauso kalt und überall in der Hütte steht Wasser. Nachdem wir gefrühstückt haben beobachten wir einen bildschönen Sonnenaufgang, ehe schon wieder der Rucksack geschultert wird.

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Die heftigen Windböen werfen mich beinah um. „Na das kann ja heiter werden“ lache ich und verabschiede mich von Ursula, da sie Richtung Atlantik unterwegs ist. Ich ramme meine Stöcke in den schlammigen Boden und versuche bestmöglich auf Kurs zu bleiben. Doch der Wind macht mir immer wieder ein Strich durch die Rechnung und ich torkle auf dem breiten Weg entlang.

Mystische Felsen ragen am Wegesrand hinauf und ich fühle mich wie in einem Herr der Ringe Film. Auf der Suche nach dem Schatz 😛 Der ist für mich eine urige Hütte an der ich Mittagspause mache. Weiter unten im Tal ist es zwar deutlich angenehmer zu wandern aber ein Gipfeltag wird das heute nicht mehr. Daher entscheide ich mich gegen den Gipfel und suche mir einen Alternativen Umweg. Der führt mich sehr konstant den Berg entlang und ist so gut ausgebaut, dass ich vor Freude fast zu hüpfen beginne.

„Wieso nicht immer so?“ frage ich mich. Denn so macht mir Wandern viel mehr Spaß und ich habe Zeit die fantastische Natur aufzusaugen. „Doch was ist denn dahinten?“ grüble ich. „Ist das etwa schon? Nein das kann nicht sein. Aber doch es ist es. Da hinten ist das Mittelmeer.“ Ich beginne zu jubeln, Tanze vor lauter Freude im Kreis und kann es kaum glauben. Nach 30 Tagen sehe ich zum ersten Mal das Ziel meiner Wanderung. Jetzt kann mich nichts mehr halten „Mittelmeer, ich komme!“.

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Tag 32

Mich kann nichts mehr halten? Da habe ich mich wohl leider getäuscht. Nach meinen äußerst motivierten 28 km gestern fühle ich mich heute als ob ich von einer Kuhherde zertrampelt wurde. Und das gleich mehrere Male.

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Zum Glück kommt mir heute wieder Matthias entgegen und bereitet mir eine wahre Trailmagic zu. Mit Leckereien wie Schokopudding und Kuchen im Magen schleppe ich mich bis zum Auto. Der Spaß am Wandern ist mir gerade trotzdem ein wenig vergangen. Dafür sind Müdigkeit und Schmerzen einfach zu präsent. Ich hätte es gestern mal nicht so übertreiben sollen. Abends bestärkt dann auch noch heftiger Regen meine miese Stimmung.

Als dann auch noch der Trail gesperrt ist könnte ich heulen. Wütend und traurig steige ich querfeldein zu der Stadt hinab. Doch ich komme wo raus wo ich nicht hinmöchte und muss zwei Kilometer zum Campingplatz zurückwandern. Auch der Abend zeigt leider keine Besserung. Das schlechte Wetter bleibt und soll uns morgen noch den ganzen Tag begleiten. Ehe ich mich Versehe schlägt meine schlechte Stimmung über und Matthias und ich haben uns in der Wolle. Diese Weitwanderung auf dem HRP verlangt wirklich einiges von mir ab und ist eine ganz neue Herausforderung.

Tag 33

Vom Regen geweckt suche ich morgens nach Motivation, die ich nicht finden kann. Trotzdem ziehe ich die Regensachen an und möchte gerade starten, als ein Gewitter über uns hereinbricht. „Jetzt ist Schluss, du brauchst eine Pause“ entscheidet Matthias. Zunächst will ich nicht, bin in Endspurtstimmung und möchte so schnell wie möglich bis ans Mittelmeer.

Aber wieso eigentlich? Was ändert es ob ich dort ein Tag früher oder später ankomme? Viel mehr sollte ich die Zeit hier doch genießen. Und genau das machen wir vormittags auch. Wir kaufen ein, verputzen einen riesigen Eisbecher, schnappen uns Bikini und Badehose und gehen in die Therme. Drei Stunden ohne Wandern. Drei Stunden voll relaxen und entspannen liegen vor uns. Danach fühle ich mich fantastisch.

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Die Sonne ist uns am Nachmittag wieder wohlgesonnen und so wandere ich noch ca. fünf Stunden in den Abend hinein. Wirklich spektakulär ist der Weg hier nicht mehr. Meist laufe ich durch Wald und grüne Wiesen. Hier sind es die kleinen Dinge denen ich meine Aufmerksamkeit schenken kann: ein bunter Schmetterling, eine himmlisch duftende Blume, ein plätschernder Bach…

Tag 34

Was bedeutet solch eine Weitwanderung? Welche Auswirkungen hat es auf mich den ganzen Tag draußen in der Natur unterwegs zu sein?

Eine Weitwanderung bedeutet für mich vor allem Freiheit. Morgens vom Vogelgezwitscher aufgeweckt zu werden und den ganzen Tag das zu tun, was ich am liebsten mache. Das Leben beschränkt sich auf die essentiellen Punkte und dreht sich eigentlich nur um „Laufen, Essen, Schlafen, Staunen, Lesen“. Eine Weitwanderung gibt mir die fabelhafte Chance mich auf mich selbst zu konzentrieren. Sie lässt mich ruhiger und ausgeglichener werden.

Hast Du auch schonmal eine Weitwanderung gemacht und was hat sie bei dir bewirkt?

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Manchmal gleichen sich die Tage und manchmal ist es auch einfach nur hart und anstrengend doch meist kann ich am Ende immer eines sagen: Es hat sich gelohnt.

Beispielsweise in den Pyrenäen habe ich eine so wunderschöne und vielseitige als auch oft unberührte Natur vorgefunden, wie ich es kaum zu hoffen gewagt habe. Vom sanften, grünen Baskenland über die schroffen Gebirgszüge, das Land der Seen bis hier hin – gewissermaßen eine Mischung aus allem.

Doch eines habe ich hier wirklich vermisst. Die anderen Wandernden, die Trailangel und die Menschen die eine Weitwanderung zu etwas ganz besonderem und einmaligem machen. Davon habe ich in den Pyrenäen leider wenige getroffen.

Stattdessen hatte ich viel Zeit für mich. Konnte mich neuen Herausforderungen stellen und so viel über mein Leben als auch über mich selbst nachdenken, um am Ende eigentlich nur zu einem Schluss zu kommen: Jeden Tag stundenlang in der Natur zu verbringen macht mich sehr glücklich und zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht.

Tag 35

Freude, Trauer, Freude gefolgt von erneuter Trauer. Meine Gefühle fahren heute Achterbahn. Ich liege noch im Bett und kann es kaum fassen. „mein letzter Tag auf dem HRP bricht an“. Voller Aufregung wecke ich Matthias.

„Ich habe es fast geschafft, ich bin in ein paar Stunden am Ziel“ raune ich ihm zu. Bevor er überhaupt zum Aufstehen kommt habe ich schon meinen Rucksack gepackt und bin unterwegs. Unterwegs Richtung Mittelmeer. Einen steilen Wiesenhang hinauf und schon erscheint es vor mir in seiner vollen Pracht. Es haut mich fast aus den Socken, wobei das auch dem Sturm zuzuschreiben ist, der hier wütet.

Als ich nur wenige Stunden später über den grauen Steinstrand laufe und meine Füße ins Mittelmeer tunke realisiere ich es erst wirklich. „Es ist das Ende, meine Zeit auf dem HRP ist jetzt vorbei. Die 800 km und 40.000 hm sind überwunden. Ich habe einmal die Pyrenäen durchquert“.

Dieses Ende ist anders. Anders als auf meiner letzten Weitwanderung. Der Erfolg ist nicht mehr so groß, die Freude nicht mehr so stark und die Trauer nicht ganz so tief.

Pyrenäen Durchquerung auf der Haute randonnée pyrénéenne

Der HRP war eine meiner härtesten Wanderungen. Er war einsamer als der Peaks of the Balkans, schwieriger als der Pacific Crest Trail, spektakulärer als der Malerweg, sonniger als der GR132. Jeder Trail ist anders und auf seine eigene Art etwas ganz besonderes. So wird auch der HRP einen festen Platz in meinem Herzen finden.

Doch jetzt? Jetzt bin ich einfach nur stolz, glücklich und erleichtert. Es ist nun endlich Zeit für Ausruhen und Regeneration. Zumindest so lange bis es dann auf die nächste große Weitwanderung geht. Du kannst auf jeden Fall schon gespannt sein, denn für nächstes Jahr ist großes in Planung.

Dir haben meine Beiträge über die Pyrenäen Durchquerung gefallen? Dann unterstütze doch gerne mein Spendenprojekt für Krebs- und Leukämiekranke Kinder. Wir freuen uns über jeden Euro, der zusammen kommt.

Falls Du Lust bekommen hast meine Tour auf dem HRP nachzuwandern und selbst die Pyrenäen zu durchqueren, findest Du auf Komoot die passenden GPS Daten und alle wichtige Infos zu den einzelnen Etappen.

7 Gedanken zu “Pyrenäen Durchquerung: Ende der Weitwanderung

  1. Eve

    Hallo Caro
    Herzlichen Glückwunsch zum vollendeten HRP! Schade bist du am Ziel angekommen, denn so kann ich dich nicht mehr „verfolgen“ auf deinem Weg durch die Pyrenäen…. deine Berichte werden mir fehlen.
    Mein Partner und ich haben diesen Sommer den HRP gemacht und ich denke sehr häufig und gerne daran zurück. Deine Berichte und Fotos haben geholfen, die Sehnsucht danach ein wenig erträglicher zu machen. Deshalb vielen Dank dafür!
    Für deine weiteren (Lebens-)Wege alles Gute!
    Liebe Grüsse aus der CH

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    1. Hallo Eve,
      vielen lieben Dank 😊 Ja in der Hinsicht ist das ankommen irgendwie was trauriges… Hat mich auf jeden Fall sehr gefreut, dass du meine Berichte verfolgt hast 😉

      Das ist ja toll. Wann genau ward ihr denn unterwegs? Hoffe ihr hattet eine richtig schöne Zeit auf dem Trail und es freut mich sehr wenn ich schöne Erinnerungen wieder wachrufen konnte. Ich wünsche Dir auch viele weitere tolle Wanderungen und alles Gute 😊
      LG Caro

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  2. Wolfgang

    Hallo Caro,

    vielen Dank für die tolle Berichterstattungen.

    Egal ob Freude, Spaß, Trauer, Regen, Sonne, Schnee oder Stürze
    Du fandest trotzdem Die Zeit für Zeile und Bilder

    Danke

    Ich habe anstatt Dir nur kleine Tour vor. Den Jakobsweg, beginn vor den Pyrenäen

    LG Wolfgang

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    1. Hallo Wolfgang,

      vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Es hat mich sehr gefreut, dass du meine Wanderung virtuell begleitet hast 😊 Der Jakobsweg hört sich auch richtig toll an. Ich wünsche Dir viele schöne Wanderungen.

      LG Caro

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